Rückblick 9. SMART CITY LOGISTIK Kongress
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 18. und 19. Juli 2023 fand der SMART CITY LOGISTIK Kongress erneut im Jenaer Volkshaus statt. Wir boten Ihnen damit eine deutschlandweit einzigartige Plattform, um sich über den aktuellen Stand und die zukünftigen Entwicklungen im Bereich nachhaltiger Logistik und Transporte zu informieren.
Zehn Jahre sind seit dem ersten SMART CITY LOGISTIK Kongress vergangen. Seine zentralen Themen haben nichts an Aktualität verloren. Gerade im Lichte aktueller Kontroversen um alternative Antriebskonzepte und den Ausbau entsprechender Infrastruktur verstehen sich die Organisatoren des Kongresses als Katalysatoren für neue Ideen und deren praktische Umsetzung. Entsprechend haben wir mit einem vielfältigen inhaltlichen Programm den Horizont der Entwicklungsmöglichkeiten weit öffnen und Anstoß für informellen Austausch und gemeinsames Weiterdenken gegeben.
Im Fokus des ersten Kongresstages standen daher zunächst Impulse, die sich einer ganzheitlichen Betrachtung smarter Logistikkonzepte widmeten. Die entsprechenden Fachvorträge zeigten Perspektiven auf, wie alternative Antriebe, Infrastruktur und digitale Lösungen als Einheit gedacht und in lohnende Geschäftspraktiken übersetzt werden können. Auch eine Ausstellung und Erläuterung neuer Fahrzeugtypen sowie eine Reihe von Best-Practice-Beispielen durften hierbei natürlich nicht fehlen.
Herzlich Ihr
Thomas Becker,
Konsortialführer SMART MULTI-USE LOGISTIK
Geschäftsführer DAKO GmbH
Impressionen
Eröffnung und Grußworte
Grußwort
Christian Liebich, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Die Organisatoren des Kongresses freuten sich ganz besonders, dass Christian Liebich es sich auch in diesem Jahr nicht nehmen ließ, zum Kongress nach Thüringen zu reisen und diesen auch durch seine Grußworte zu eröffnen. Als einer der Wenigen, die seit den Anfängen der Veranstaltung aktiv dabei waren, konnte es auch niemand Geeigneteren geben, um die nunmehr zehnjährige Geschichte des SMART CITY LOGISTIK Kongresses kurz Revue passieren zu lassen.
Dies tat Herr Liebich, indem er auf die sich verändernden Herausforderungen im Bereich der Elektromobilität im gewerblichen Sektor einging und diese in direkten Bezug zu den jeweiligen Inhalten des Kongresses setzte. Dabei wurde deutlich, dass in den vergangenen zehn Jahren eine ganze Menge erreicht werden konnte und das Netzwerk um den Kongress sich nicht nur stetig vergrößerte, sondern auch thematisch diversifizierte. Sein Grußwort beendete er mit den Worten: „Veränderungsprozesse brauchen Zeit und einen langen Atem. Diesen hat der SMART CITY LOGISTIK Kongress in den zehn Jahren seines Bestehens bewiesen. Das macht Hoffnung für die Zukunft!“
Grußwort
Dr. Harald Hempel, Leiter Innovation und Forschung, DAKO GmbH
Dr. Harald Hempel entwarf in seinem Grußwort, im Namen der DAKO GmbH, eine spezifisch Thüringer Perspektive auf die Logistik und den gewerblichen Verkehr. Denn dieses sei die Perspektive, die den Anfang des SMART CITY LOGISTIK Kongresses gebildet habe und die auch weiterhin relevant sei, um gerade regionale Unternehmen bei den behandelten Themen an der Stelle abzuholen, an der sie stünden.
Die Fragen, die sich das ursprüngliche Forschungsprojekt, SMART CITY LOGISTIK, vor zehn Jahren gestellt habe, seien dabei auch heute noch relevant: Wie lassen sich Verkehre in einem Flächenland wie Thüringen bündeln? Und wie ist es möglich dafür eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen, trotz der kostspieligen Umsetzung und der langwierigen Prozesse, die sie für ihre Verwirklichung beansprucht?
10 Jahre SMART CITY LOGISTIK Kongress: ein Rück- und Ausblick
Dr. Harald Hempel, DAKO GmbH
In einem gesonderten Einführungsvortrag zum diesjährigen SMART CITY LOGISTIK Kongress beschäftigte sich Dr. Hempel noch einmal eingehender mit dessen Geschichte, dem aktuellen Stand in Branche, Politik und Forschung sowie mit den Zukunftsaussichten. Dabei wurde einmal mehr deutlich, dass die Entwicklung dieses einzigartigen Netzwerktreffens immer auch einen Spiegel des Fortschritts im Bereich nachhaltigerer Konzepte für Transport und Logistik darstellte.
Sehr schön verdeutlicht wurde dies an den Beispielen der Entwicklung von Kosten für Batteriemodule für die E-Mobilität seit 2013 (dem Jahr des ersten SCL Kongresses), anhand von Zahlen zur Steigerung alternativer Antriebe im gewerblichen Verkehr sowie durch eine Betrachtung des Fortschritts auf dem Feld der Lastenräder in der urbanen Logistik.
Session 1:
Nachhaltige Logistik in der Stadt braucht mehr als nur Fahrzeuge!
Microdepots – Von der Idee zur Umsetzung
Daniela Kirsch, Fraunhofer IML
Aus dem Kontext verschiedener Forschungsprojekte, in welche das Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik involviert war, erklärte Frau Kirsch zunächst anschaulich das Konzept und den Nutzen von Multi-Use Microdepots bei der Zustellung auf der letzten Meile. Anhand einer Vielzahl von Praxisbeispielen konnte sie im Anschluss zeigen, wie komplex sich die Prozesse darstellen, die alle relevanten Akteure von der Planung bis zur realen Umsetzung von Microdepots im urbanen Raum, zusammenbringen.
Trotz der Betonung von großen Synergieeffekten und Einsparpotentialen bei Emissionen und der Senkung der Anzahl innerstädtischer Verkehre, bleiben wesentliche Herausforderungen wie das Fehlen geeigneter Immobilien, das Fehlen einer zentralen Koordinationsinstanz oder die unterschiedlichen Geschäftsmodelle potentieller Nutzer bestehen. Diese könnten zukünftig nur durch Geduld, agiles Vorgehen und dauerhaftes, kooperatives Engagement überwunden werden, so Kirsch.
ze:box – Wir vermeiden 500 Mio. Pappkartons. Mindestens!
Matthias König, allsafe GmbH
„Den Pappkarton zum Müll der Geschichte legen“, mit diesem Anspruch stellte Matthias König, seines Zeichens Produktmanager bei der allsafe GmbH, auf dem Kongress eine spannende Mehrweg-Alternative zu klassischen Pappkartonagen für Versand, Kommissionierung und Transport von Waren vor. Basierend auf stabilen und haltbaren Versandverpackungen aus Plastik hat allsafe ein zeitgemäßes Pfandsystem für diese Boxen entwickelt. Dieses solle über eine App gleichermaßen für Privat- und Geschäftskunden zugänglich sein und abgerechnet werden. Der Bezug und der Austausch der Leihverpackungen werde dann über zentrale Ausgabe- und Rücknahmestationen im öffentlichen Raum realisiert.
Derzeit befindet sich das Projekt am Übergang von der Konzeptionsphase hin zu seiner praktischen Umsetzung. Das heißt, dass sich die Boxen in der Produktion befinden, die entsprechende Software programmiert wird und bereits Gespräche mit potentiellen Partnern anlaufen.
Anwesenheitsvorhersage mit KI: Die Revolution der letzten Meile
Benjamin Dauth, Green Convenience GmbH
Die Aspekte von termingenauer Lieferung und Kundenzufriedenheit standen im Fokus des Vortrags von Benjamin Dauth. Gerade die Vielzahl von Mehrfachzustellversuchen führt seiner Meinung nach zu verstopften Innenstädten und einem größeren CO₂-Fußabdruck von Sendungen. Die Lösung für die Vereinbarkeit von Ansprüchen der Endkunden und der Nachhaltigkeit der Zustellung sieht Dauth in einem KI-basierten System der Anwesenheitsvorhersage.
In Kooperation mit weiteren Projektpartnern entwickelt Green Convenience daher eine solche Lösung, die über eine App und die Freischaltung der Standortvergabe beim Empfänger funktioniert. Dabei geht es nicht um ein zeitaktuelles Tracking, sondern ein digitales Abstimmen von Aufenthaltsmustern, so Dauth. Die Daten von Empfänger und Zusteller werden dabei effektiv anonymisiert und nur über den jeweiligen Export von Hashes miteinander in Verbindung gebracht. Auf diese Weise könnten in der Zukunft mehrfache Zustellversuche und damit wertvolle Ressourcen eingespart werden.
Kommunale Logistikkonzepte – Wie gelingt der Sprung von der Entwicklung zur Umsetzung der Konzepte?
Dr. Jens Klauenberg, LNC LogisticNetwork Consultants GmbH
Aus der Position eines beratenden Akteurs für unterschiedliche Stakeholder im Bereich der urbanen Logistik widmete sich Dr. Klauenberg in seinem Vortrag intensiv den Handlungsfeldern und -möglichkeiten bei der Entwicklung und Realisierung kommunaler Logistikkonzepte. Dabei prallen aktuell häufig unterschiedliche Zielvorstellungen, eine unzureichende Planung sowie das Fehlen verlässlicher Daten aufeinander und bewirken einen Stau für effektivere und nachhaltige Logistikkonzepte.
Aus Sicht Dr. Klauenbergs können die Kommunen hier als zentrale Koordinatoren beim Aufbau einer entsprechenden Wissensbasis, bei der Einbindung und Koordination aller relevanten Akteure sowie bei Umsetzung und Überwachung entsprechender Maßnahmen auftreten. Dafür müsse der wirtschaftliche Verkehr im kommunalen Raum aber stärker als bisher in den Fokus einer Vielzahl von kommunalen Aufgabenfeldern gerückt werden, so seine These.
Session 2:
Fahrzeuge und ihr Einsatz auf der letzten Meile
Lastenräder auf der letzten Meile – Man muss es nur wollen und tun!
Paul Schwarzelühr, VEMO Logistik GmbH
In seinem Beitrag präsentierte Paul Schwarzelühr die VEMO Logistik als ein Best-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Lastenradlogistik mit jeweils zwei Standorten in Köln und Bonn. Die Chancen für diesen Zweig des städtischen Transportverkehrs ergeben sich, seiner Meinung nach, vor allem aus der Vielseitigkeit der Anwendungsmöglichkeiten und den möglichen Kooperationen mit unterschiedlichsten Partnern. Um langfristigen Erfolg zu sichern, liegt Schwarzelühr vor allem der Aspekt der Sozialverträglichkeit am Herzen. Bei VEMO verdiene er als Geschäftsführer beispielsweise nicht mehr als die Zustellfahrer.
Oft genug aber scheitert eine solche Zusammenarbeit am Festhalten gerade großer Akteure, an althergebrachten Strukturen und Geschäftsmodellen. Hier müsse ein Umdenken stattfinden und die Radlogistik als langfristig kosten- und ressourcensparendes Konzept verstanden werden. Denn wenn diese nicht als Konkurrenz, sondern als verlässliche Unterstützung verstanden werde, könnten sowohl Nachhaltigkeitsprobleme als auch die Sozialverträglichkeit von Citylogistik effektiv adressiert werden.
Lastenräder mit Hirn – von autonom zu automatisiert.
Dr. Tom Assmann, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Um Lastenräder in der Zukunft noch effektiver in urbanen Räumen einsetzen zu können, beschäftigt man sich an der Universität Magdeburg mit ganzheitlichen Konzepten, die es ermöglichen sollen, einen Fuhrpark von Lastenrädern optimal auszunutzen und diese den Endnutzern standortunabhängig zur Verfügung zu stellen. Dr. Assmann berichtete, dass das Forscherteam nach Tests mit autonomen Zustellfahrten der Lastenräder, auf viele Hindernisse stieß.
So fehlte es unter anderem an detaillierterem, digitalen Kartenmaterial sowie einer ausreichenden Finanzierung. Auch die Ansprüche potentieller Kunden sowie der Fahrzeugtechnik selbst zählten zu den Unwägbarkeiten des Projekts. Daher wurde der Fokus nun in Richtung menschlich assistierter Fahrten verschoben und in ersten Praxistests erfolgreich erprobt.
Verlagslogistik meets Citylogistik
Jens Achilles, SÜDKURIER City Logistik
Die Verlagslogistik als Teil der Citylogistik spielte bereits wiederholt eine Rolle auf den SCL Kongressen der vergangenen Jahre. Mit sinkenden Abonnementzahlen bricht das klassische Betätigungsfeld dieser Logistikbranche zunehmend weg. Dies kann aber gleichzeitig der Ausgangspunkt für eine sinnvolle Neuausrichtung der in diesem Sektor tätigen Unternehmen sein. Jens Achilles stellte in diesem Jahr vor, wie im Hause Südkurier neue Wege betreten werden, indem die eigenen Logistikpotentiale (Erfahrung, Kontakte in der Region, ortskundiges Zustellpersonal) neu gedacht werden.
So wird es über die Hybridisierung (Mehrfachnutzung) von Transportwegen und die Kooperation mit externen Einspeisern möglich, letzteren unrentable Fahrten abzunehmen und damit die eigenen Zustellwege wieder einträglicher zu gestalten. So können z.B. Zeitungslieferungen, andere Druckerzeugnisse, Briefsendungen, Pakete, Medikamenten- oder Lebensmittellieferungen miteinander kombiniert und damit wirtschaftlich und nachhaltig zu den Empfängern transportiert werden.
Die letzte Meile neu gedacht: Mit L6e-A-Fahrzeugen zur emissionsfreien Stadt
Norbert Kerkhoff, CARIT Automotive GmbH & Co. KG
Ein vierrädriges Leichtelektromobil für die letzte Meile und mit ungewöhnlicher Form präsentierte Norbert Kerkhoff. Gesteuert wird dieses von einer Position hinter der Last auf einer offenen und flachen Ladefläche, was Erinnerungen an klassische Lagerfahrzeuge weckt. Das Fahrzeug ist so konzipiert, dass es möglichst wenig Platz im städtischen Raum einnimmt und durch seine Abmaße auch mit herkömmlichen Lieferwagen transportiert, beziehungsweise in diesen gelagert werden kann. Zusätzliche Vorteile dieses minimalistischen Fahrzeugkonzepts sind dessen Versatilität, die leichte Bedienbarkeit und die Reduktion von Verkehrsemissionen, durch das Einsparen klassischer Lieferfahrzeuge – gerade in den schwerer zugänglichen Bereichen der Innenstädte.
Nachhaltig und schlau durch die Stadt – Grünfuchs
Felix Dossmann, Grünfuchs Logistik GmbH
Felix Dossmann und sein Unternehmen treten mit dem Anspruch an, die Lieferung auf der letzten Meile nicht nur umweltfreundlich zu gestalten, sondern auch die Sozialverträglichkeit der Zustellarbeit zu erhöhen. Beides kann aber natürlich nur umgesetzt werden, wenn auch der wirtschaftliche Erfolg sichergestellt wird. Wie dieser möglich wird, zeigte Dossmann in seinem Vortrag.
Durch die Kombination von leicht erreichbaren Mikrohubs und einer gemischten Flotte, die von schweren Nutzfahrzeugen über LCVs bis hin zu Lastenfahrrädern, je nach Bedarf agieren kann, ergibt sich ein infrastrukturelles Rückgrat, dass eine Vielzahl von Kooperationen ermöglicht. Und so finden sich unter den Einspeisern nicht nur Paketdienstleister und KEP-Unternehmen, sondern auch der lokale Handel. Die Stärkung des Letzteren durch Teilnahme an bequemen E-Commerce-Lieferketten öffnet ebenfalls neue Optionen.
VISION mobility THINK TANK
Lange letzte Meile - Chancen und Grenzen des Einsatzes von Lastenrädern in der Logistik
Moderation: Johannes Reichel, HUSS Verlag GmbH
Gäste: Andreas Schumann, Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e.V. (BdKEP) | Felix Dossmann, Grünfuchs Logistik GmbH | Norbert Kerkhoff, CARIT Automotive GmbH & Co. KG | Dr. Tom Assmann, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg | Thomas Kuwatsch, Ari Motors GmbH
Der VISION Mobility Think Tank widmete sich in diesem Jahr dem Thema des Lastenradeinsatzes in der City-Logistik. In der Entwicklung zuverlässiger Cargo-Bikes haben die Hersteller in den letzten Jahren große Schritte unternommen. Über die Chancen und Hemmnisse dieses Transportweges und seine Anschlussfähigkeit an andere Logistikkonzepte (Transport mit leichten, elektromobilen Fahrzeugen) wurde auf dem Podium lebhaft diskutiert.
Einigkeit herrschte darüber, wo die Vorteile dieses Transportweges liegen: Lastenräder sind umweltfreundlich, im laufenden Betrieb vergleichsweise kostengünstig und können auch mit Personal betrieben werden, welches beispielsweise nicht über einen gültigen Führerschein verfügt. Die in der fortlaufenden Diskussion besprochenen Herausforderungen liegen vor allem in einer Transport- und Logistikbranche, die aktuell noch wenig Veränderungswillen weg von klassischen, dieselbetriebenen Fahrzeugen zeigt und aufgrund knapper Gewinnmargen keinen Eifer für Experimente bezüglich ihrer Geschäftsmodelle hegt.
Auf politischer Ebene werde einerseits zu sehr auf Freiwilligkeit gesetzt und das Verharren bei konventionellen Logistikkonzepten nicht ausreichend sanktioniert. Auf der anderen Seite seien die staatlichen Förderprogramme für E-Mobilität und Lastenradtransporte nicht ausreichend und nicht flexibel genug, um wirklichen Veränderungswillen anzustoßen.
Am Ende der Debatte, war man sich auf dem Podium ebenfalls einig, dass die Logistik hier Angebote und bedarfsgerechte Szenarien entwerfen muss, die eine Perspektive in eine nachhaltigere Zukunft weisen. Ein Netzwerktreffen wie der SMART CITY LOGISTIK Kongress biete hierfür immer wieder hervorragende Anknüpfungspunkte, um wirksame Alternativen in Richtung Politik und Markt zu kommunizieren.
Keynote
„Local Heros“ bringen Mehrwertschöpfung in die Region
Andreas Schumann, Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e.V. (BdKEP)
Der Keynote-Vortrag von Andreas Schumann eröffnete den zweiten Kongresstag. Er setzte sich darin eingehend mit den Möglichkeiten auseinander, die lokale Transport- und Logistikunternehmen haben, um sich zu so genannten, „Lokalen Helden“ zu entwickeln. Damit sind Unternehmen gemeint die, gerade durch ihre Verwurzelung in einem bestimmten geografischen Raum und die gute Vernetzung dort, erfolgreiche und zukunftsfähige Geschäftsmodelle etablieren können.
Dabei blieb er nicht bei abstrakten Ideen, sondern stellte dezidiert dar, welche Stellschrauben er dafür konkret ausgemacht hat. Zuallererst ist eine Diversifizierung der Transportgüter, und damit auch der Kunden und Empfänger, dringend nötig, um die Kosten für eine Lieferfahrt durch maximale Auslastung und engmaschigere Lieferstopps zu senken. Des Weiteren kann mit der richtigen Lager- und Transporttechnologie auch im Bereich des Microfulfillments ein Beitrag zu einer positiven Bilanz geleistet werden. Damit direkt verbunden sind standardisierte Prozessabläufe und eine durchgängig digitale Steuerung derselben. Das spart nicht nur Kosten, sondern erhöht auch die Kundenzufriedenheit durch Verlässlichkeit. Zu guter Letzt muss die Chance ergriffen werden, Umweltaspekte zu einem Selling Point werden zu lassen. Hierzu können emissionsarme Lieferprozesse und die Transparenz bezüglich des eigenen CO₂-Ausstoßes genauso gehören, wie eine offensive Erschließung und Unterstützung kreislaufwirtschaftlicher Ideen.
Session 3:
Last Mile Logistik in Forschung und Praxis
Zum Abschluss des bundesgeförderten Forschungsprojekts SMART MULTI-USE LOGISTIK fasste das zweite Panel des Tages die Erfahrungen, Erkenntnisse und Entwicklungen dieses kooperativen und praxisorientierten Feldversuches für neue Transport- und Logistikprozesse zusammen. Natürlich konnten aufgrund von zeitlichen Begrenzungen nicht alle Perspektiven aus dem Projekt dargestellt werden.
Digitalisierung in der kooperativen Paketlogistik
Dr. Tina Haußen, DAKO GmbH
Das Projektziel für die DAKO GmbH war während des Förderungszeitraums, ganz grob umrissen, das digitale Rückgrat für die Vernetzung der Geschäftsprozesse der teilnehmenden Projektpartner zu schaffen. Hierzu zählten sowohl die Vernetzung eines international tätigen Paketdienstleisters mit regionalen Verlagslogistikern und einem Medizinlogistiker als auch die direkte Vernetzung von Medienlogistikern in unterschiedlichen Regionen Mitteldeutschlands. Am Ende des Projektes konnte Dr. Haußen auf wesentliche Erfolge nicht nur bei der Verbindung der Akteure verweisen, sondern auch auf eine Standardisierung der Prozesse auf digitalem Wege. Eine Optimierung der Zustellrouten durch effektive und realitätsnahe Geokodierung gehörte ebenfalls zu den, im Projekt erfolgreich getesteten, digitalen Technologien.
Paketzustellung in Sachsen-Anhalt
Christian Voigt, MZ Logistik GmbH KG
Daran schloss sich die Sichtweise eines der beteiligten Verlagslogistikers an. Christian Voigt berichtete vom ursprünglichen Weg seines Unternehmens in Richtung einer Diversifizierung der Sendungsarten, vor allem im Brief- und Paketbereich. Das Projekt half nun dabei, diese Perspektive noch einmal auszuweiten und nicht nur in der eigenen Region Brief- und Postsendungen auf die Touren mitzunehmen, sondern ein effektives System des Sendungsaustausches mit der benachbarten Region um die Landeshauptstadt Magdeburg zu etablieren und stetig weiterzuentwickeln. Am Ende des Projektzeitraumes wird diese erfolgreiche Kooperation weitergeführt und zukünftig sogar noch um einen weiteren Verlagslogistiker erweitert.
KI in der Praxis ganz ohne ChatBot – KI-basiertes CO₂-Prognosemodell für die Tourenplanung
Prof. Dr.-Ing. Uwe Adler, Fachhochschule Erfurt
Die Fachhochschule Erfurt arbeitete im Rahmen von SMART MULTI-USE LOGISTIK an einem Teilprojekt, welches nicht nur die Reduktion von schädlichen Emissionen verfolgte, sondern diese über Informationssammlung, -verknüpfung und -auswertung mittels künstlicher Intelligenz auch vorhersagbar machen wollte. Denn die Darstellung des CO₂-Fußabdrucks logistischer Prozesse wird in der Zukunft nicht nur ein netter Werbegimmick sein, sondern, aller Voraussicht nach, verpflichtend. In enger Zusammenarbeit mit einem Verlagslogistiker aus dem Netzwerk konnten die hierfür nötigen Daten auf realen Zustelltouren durch die Stadt Erfurt erhoben und zu komplexen Prognose-Tools weiterentwickelt werden.
Umweltfreundliche und kooperative Paketlogistik
René Podschelni, UPS Inc. & Co. OHG
Die Sichtweise eines international agierenden Paketdienstleisters auf ein regional verankertes Projekt ist deshalb spannend, weil in einem solchen Unternehmen die Hürden vergleichsweise groß sind, um externe Neuerungen in die hausinternen Standardprozesse zu implementieren. Dennoch bestätigte René Podschelni, dass UPS wesentliche Ziele bei der Kooperation erreicht habe. Hierzu zählt, unter anderem, eine Kosten- und CO₂-Reduktion auf den betreffenden Routen. Auch eine allgemeine Prozessoptimierung und eine tiefergehende Digitalisierung konnten durch die Zusammenarbeit verwirklicht werden. All dies führe auch langfristig zu intelligenteren, strategischen Entscheidungen innerhalb des Unternehmens.
KI im Projekt SML – Warum es so wichtig ist in Sekundenbruchteilen zu wissen, wie lang eine Zustelltour ist
Prof. Dr. Nils Boysen, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. Dr. Nils Boysen und sein Team beschäftigten sich im Rahmen des Projektes mit der Frage, wie eine künstliche Intelligenz dazu gebracht werden kann, innerhalb von Sekundenbruchteilen zu berechnen, wie hoch die Kosten einer Tour sein werden, um darauf aufbauend kostenoptimierte Routen vorzuschlagen. Bereits bei der Darstellung der dafür nötigen Parameter und Einzeldaten wurde die Komplexität dieses Unterfangens schnell deutlich. Trotz dieser hohen Anforderungen wurde auch dieses Vorhaben zu einem Erfolg – nicht nur in der Welt der Wissenschaft rund um KI-basierte Tourenplanung. Die Ergebnisse konnten und können zukünftig direkt in der Praxis von Transport- und Logistikunternehmen zu wirtschaftlich effektiveren Prozessen führen.
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